Artikel 20 (3) GG
Zum Urteil vom 29. Juli 1997, BSG 4. Senat, Az: 4 RA 56/95. Da ist ein Übersiedler älter als Geburtsjahrgang 1937, der Rente nach FRG bekommen muss und bekommt und der klagt, dass seine Beitragszeiten aus dem Osten nicht rentensteigernd berücksichtigt werden. Schließlich, so sagt er, sind Rentenanwartschaften vom Grundgesetz als Eigentum geschützt. Das BSG folgt ihm ein bisschen mit dem folgenden Text:
„Zwar werden Renten und Rentenanwartschaften aus der gesetzlichen Rentenversicherung der Bundesrepublik Deutschland durch Art 14 Abs 1 GG geschützt (vgl BVerfGE 53, 257, 289 ff = SozR 7610 § 1587 Nr 1). Um derartige eigentumsgeschützte Rechtspositionen handelte es sich jedoch bei Ansprüchen und Anwartschaften aus der Sozialpflicht- und FZR-Versicherung der ehemaligen DDR nicht.“
Und deshalb verliert der Kläger, und deshalb behält er die eigentumsgeschützten Rentenanwartschaften aus der gesetzlichen Rentenversicherung der Bundesrepublik Deutschland und deshalb bekommt er nichts für die ehemaligen FZR-Zahlungen an die ehemalige DDR, die nicht geschützt sind. Das zitierte BVerfGE 53, 257, 289 ff = SozR 7610 § 1587 Nr 1 besteht seit 1980, es wurde geschaffen wegen der Neuregelung des Versorgungsausgleichs bei Ehescheidungen (nach der auch Rentenanwartschaften als Vermögen betrachtet werden), es ist seither oft zitierte verfestigte Rechtsprechung. Der erste Leitsatz dieses Urteils lautet: Renten und Rentenanwartschaften aus der gesetzlichen Rentenversicherung der Bundesrepublik Deutschland sind durch Art 14 Abs 1 GG geschützt.
Der 4. Senat des Bundessozialgerichts hat das am 29. Juli 1997durch den Vorsitzenden Richter Dr. Meyer, die Richterin Tüttenberg und den Richter Dr. Berchtold sowie die ehrenamtlichen Richter Dr. Janzen und Faupel entschieden.
Vergleichen wir das mit der folgenden Aussage im Urteil Az:B 5 R 36/11R vom 14.12.2011 (http://lexetius.com/2011,7372), das am 18.01.2013 in Darmstadt in Revision verhandelt wird:
Für das Begehren des Klägers gebe es keine gesetzliche Grundlage. Es sei fraglich, ob eine bloße Übersiedlung gleichsam automatisch bestimmte gesetzliche Leistungsansprüche nach sich ziehe, die zu diesem Zeitpunkt in der Bundesrepublik Deutschland kodifiziert gewesen seien. Die postulierte Rechtsposition - Anwendung des FRG auf die von ihm bis zum 25. 11. 1986 zurückgelegten Beitragszeiten - genieße keinen Grundrechtsschutz aus Art 14 Abs 1 GG.
Was hier wie das Gegenteil der Rechtsstaatlichkeit aussieht, das ist tatsächlich das Gegenteil von Rechtsstaatlichkeit. Es gehört viel Mut dazu, diesen juristischen Aberwitz aufzuschreiben. Ist der erste Satz noch von klarer, wenn auch falscher Aussage, dann kann man nur noch verzweifeln daran, dass die einzige wirkliche Frage des ganzen Verfahrens „fraglich“ ist. Und niemand möge in Deutschland glauben, dass die in diesem Land kodifizierten Gesetze auch beachtet werden. Man findet diesen Stuss unter der Rand-Nr. 10. Nur zur Erinnerung: Artikel 20 GG sagt, dass die Rechtsprechung an Recht und Gesetz gebunden ist. Das wurde dann vorher kodifiziert.
Wer hat sich das ausgedacht?
Der 5. Senat des BSG am 14.12.2011 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Berchtold, die Richter Dr. Günniker und Kramanski sowie die ehrenamtlichen Richter Schwill und Günther.
Beim Vergleich beider Urteile sieht man wenig Gleiches außer dem Namen des Richters Dr. Berchtold, der an beiden Urteilen beteiligt war, 1997 an einem Urteil, das den Eigentumsschutz der Anwartschaften bestätigt und das die Ermittlung der Anwartschaften nach §256a für verwaltungstechnisch nicht durchführbar hielt, das den 18.05.1990 als alleinige Zäsur zwischen Eingliederung nach FRG und Überleitung nach RÜG sah, und 2011 als vorsitzender Richter an einem Urteil, das diesen Eigentumsschutz leugnet und die Ermittlung der Anwartschaften nach §256a SGB VI fordert. Was ist da wann durch wen zwischendurch geschehen? Eine gesetzliche Änderung gibt es jedenfalls nicht.